Vergessene Nachbarinnen – Herstory, die auf Mazewot verewigt ist
Die Online-Ausstellung Vergessene Nachbarinnen wirft ein Licht auf die bisher unsichtbare Geschichte jüdischer Frauen Oberschlesiens am Beginn der Modernisierung um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert. Wir holen die Porträts von Frauen aus dem Vergessen zurück, deren Aktivitäten – trotz ihres tatsächlichen Einflusses auf das Leben der Region, insbesondere von Gleiwitz – über Jahrzehnte an den Rand der historischen Erzählung gedrängt wurden.
Die Biografien haben wir von zerbrochenen Grabsteinen (Mazzewot) auf dem alten jüdischen Friedhof in Gleiwitz aus dem frühen 19. Jahrhundert abgelesen und aus Adressbüchern sowie Anzeigen in zugänglichen Archiven rekonstruiert. Dieses Material stellt einen überzeugenden Beleg für die Präsenz jüdischer Frauen im öffentlichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben, insbesondere in Gleiwitz (dem heutigen Gliwice), dar.
Jüdinnen waren einerseits aufgrund preußischer Regelungen sowie der europaweiten Ordnung, die durch den Wiener Kongress etabliert wurde, von voller staatsbürgerlicher Gleichberechtigung und vom Wahlrecht ausgeschlossen. Andererseits war selbst im Rahmen der fortschrittlichen Haskala (jüdische Aufklärung), die von Männern (Maskilim) dominiert wurde, ihre Bildung und volle Teilnahme an Diskussionen entweder verzögert oder wurde als Bedrohung der traditionellen Identität infrage gestellt.
Wir stützen uns auf die lokale Geschichte und rufen konkrete Persönlichkeiten in Erinnerung, wie Johanna Stein – ein seltener Fall einer Frau, die ein Dampfsägewerk leitete; Paula Kleczewska – ihre Geschichte gehört zu den wenigen dokumentierten Fällen in Gleiwitz, in denen eine Frau als Fabrikbesitzerin (Frau Fabrikbesitzerin) bezeichnet wurde; oder Elisabeth Dachns geb. Troplowitz – die im Alter von nur 19 Jahren eine heldenhafte Tat vollbrachte: Sie rettete aus der Kłodnica zwei Erwachsene sowie ein Kind. All diese Persönlichkeiten verbinden die Stadt, Kultur, Religion und das Gemeinwohl.
Wir hinterlassen Ihnen eine digitale Spur und ein Stück lokaler Geschichte, um die zweite Hälfte der Identität von Gleiwitz zu ergänzen. Ist es uns gelungen, die Geschichte der jüdischen Gesellschaft in dieser Region abzuschließen, oder haben wir sie erst eröffnet? Entscheiden Sie selbst.
Wir laden Sie ein, die früheren Bewohnerinnen und Bewohner von Gleiwitz zu entdecken und Ihr Wissen über sie zu vertiefen.