Familie Blumenreich
Die Anfänge der Glasindustrie in Gleiwitz zu beschreiben ist eine äußerst komplizierte Angelegenheit. Bei ihrer Entwicklung spielte die jüdische Familie Blumenreich eine wichtige Rolle. Im Jahr 1806 wurde der im Jahr 1783 in Wodzisław Śląski geborene Josef Blumenreich das erste jüdische Mitglied der Gleiwitzer Schuhmacherzunft. Etwas mehr als zwei Jahrzehnte später, im Jahr 1829, pachtete er vom Fürsten von Pless eine stillgelegte Glashütte im Dorf Wesoła. Heute ist es schwer zu bestimmen, um welches Dorf Wesoła es sich handelt. Das einzige Dorf mit diesem Namen, in dem seit dem 18. Jahrhundert eine bekannte Glashütte arbeitete, ist Wesoła bei Mysłowice, die tatsächlich auch im Besitz der Fürsten von Pless war. Das Dorf war aber ca. 30 km von Gleiwitz entfernt, was zu Beginn des 19. Jahrhunderts eine recht große Entfernung war. Ein näher gelegenes Dorf Wesoła, das etwa 9 km von Gleiwitz entfernt war, lag zwischen Łany Wielkie und Sośnicowice, es wurden aber bisher keine Hinweise gefunden, die bestätigten, dass sich dort einst eine Glashütte befand. Es ist jedoch zu beachten, dass sich in den Jahren 1792-1799 im Kreis Gleiwitz-Tost (u.a. in Ligota Toszecka oder Raduń (heute ein Teil von Wielowieś)) mehrere Glashütten im Betrieb waren.
Salo Blumenreich, dessen familiäre Beziehungen mit Josef unklar sind, gründete im Jahr 1843 in Neudorf, heute Teil von Gleiwitz an der Kreuzung von Innenstadt und Szobiszowice, eine Glashütte für die Produktion von Glas für Tischgeschirr.
Gleichzeitig erwähnte die Gleiwitzer Presse im Jahr 1850 Wilhelm Blumenreich, Sohn von Josef, als Glasfabrikbesitzer. Laut dieser Pressemitteilung besaß dieser ein Haus auf dem Markt und bot an, das 2. Stockwerk seines Hauses zu vermieten. Im Jahr 1862 erschien eine Stadtanzeige, die über die Möglichkeit der Anmietung einer Immobilie neben der Blumenreich-Glasfabrik im Bezirk Neudorf informiert. Dank der erhaltenen Stadtpläne aus den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts ist bekannt, dass die Glashütte sich gegenüber dem Bahnhof befand und von der südwestlichen Seite an die Drahtfabrik von Heinrich Kern grenzte, unweit des heutigen Bürogebäudes des Unternehmens Biprohut. Dieser Betrieb war in dieser Gegend spätestens seit den 50er Jahren des 19. Jahrhunderts tätig, im Jahr 1856 beschäftigte er rund hundert Arbeiterinnen und Arbeiter. Rund 180.000 Glasprodukte im Wert von rund 30.000 Talern verließen jährlich das Fabriklager.
Im Jahre 1860 berichtete die Presse über den Tod eines anderen Mitgliedes dieser Familie: des Glaswerkinspekteurs Louis Blumenreich, der Sohn von Josef und Bruder von Wilhelm war. Wenige Jahre später, im Oktober 1866, registrierten – laut königlichem Bezirksgericht in Gleiwitz – Julius, Salo und Wilhelm Blumenreich in Wrocław gemeinsam das Unternehmen W. Blumenreich. Der Wirtschaftsbereich, mit dem das neu gegründete Unternehmen zu tun haben sollte, wurde jedoch nicht angegeben, aber es kann davon ausgegangen werden, dass es ebenfalls mit der Glasherstellung in Verbindung stand.
Im Juli 1883 wurde die Blumenreich-Fabrik in den Besitz von Heinrich Kern überführt. Einige Jahre später, Anfang der 90er Jahre des 19. Jahrhunderts, wurde sie bereits geschlossen.
Heute indes sind lediglich die rund ein Dutzend Gräber von Vertretern dieser Familie, einschließlich Josef und seiner Söhne Wilhelm und Louis, die einzige verbliebene Spur des einstigen Lebens der Blumenreich-Familie in Gleiwitz.