Heinrich Kern

Heinrich Kern wurde am 7. Januar 1825 in Bern geboren und kam in den 50er Jahren des 19. Jahrhunderts nach Gleiwitz. Hier lernte er Agnes Nothmann – Tochter von Isaac Samuel Nothmann kennen. Das Paar heiratete am 22. Dezember 1859. Sie hatten fünf Kinder. Der erstgeborene Sohn Emil kam am 15. Juni 1860 auf die Welt und starb mit nur fünf Jahren, am 1. September 1865. Der vorzeitige Tod seines Sohnes, obwohl das damals sehr oft vorkam, war vermutlich ein schmerzlicher Verlust für Heinrich. Darauf können unter anderem der Ort und die Art der Beerdigung von Emil hinweisen – er wurde nicht im Kinderteil, sondern im exponiertesten ehrenamtlichen Teil des alten jüdischen Friedhofs in Gleiwitz beerdigt. Außerdem stand auf seinem Grab kein einfacher, klassischer Grabstein aus Sandstein, sondern ein repräsentatives Grabmal mit einer in weißem Marmor eingravierten Tafel.

Heinrich Kern

Im Jahr 1866 spendete Heinrich Kern der Synagogengemeinde Gleiwitz 400 Taler, um in jedem Jahr aus einem Prozentsatz dieses Betrags, für die begabtesten Viertklässler der örtlichen Schule Stipendien zu finanzieren. Nach Angaben des Gleiwitzer Chronisten Benno Nietsche sollte das Geld am 1. September eines jeden Jahres ausgezahlt werden, um dem verstorbenen Emil zu gedenken. Von den Kindern der Eheleute Kern starb noch Emilie (1867-1869) sehr früh, die nun neben ihrem Bruder im Grab ruht. Die weiteren Kinder sind: Therese Zuckerkandl (geb. am 20. Dezember 1861 in Gleiwitz, gestorben am 9. September 1942 in Jena), Marie Straubel (geb. am 30. Juni 1865 in Gleiwitz, gestorben am 20. April 1944 in Jena) und Friedrich Kern (1874-1921). Agnes Kern war im Gegensatz zu ihrem Mann über viele Generationen mit Oberschlesien verbunden. Während des 18. und 19. Jahrhunderts lebten ihre Vorfahren (nach der väterlichen Linie) hauptsächlich in Biała Prudnicka (Zülz), Wielowieś (Langendorf) und Pszczyna (Pless).

Der älteste direkte Vorfahre von Agnes (väterlicherseits) war Josef HaKohen, der 1665 in Biała geboren wurde. Die Familienlinie mütterlicherseits ist viel schwieriger zu verfolgen, weil sie nach den Großeltern von Agnes – Viktor Ring (1779-1839) und Sara Friedlander (1781-1818), abbricht. Agnes überlebte ihren Mann deutlich – sie starb am 17. Oktober 1931 in Jena im Alter von 91 Jahren.
Heinrich Kerns erster Kontakt mit der großen oberschlesischen Metallindustrie ist mit dem Eisenwerk Herminehütte (seit 1945 Huta Łabędy) in Łabędy (Laband), verbunden. Die Hütte wurde von Robert Caro gegründet, einem Industriellen aus Wrocław und privat dem Schwager von Heinrich Kern. In dem nach Robert Caros Frau benannten Betrieb lernte der junge Heinrich die Methoden einer effizienten Verwaltung des Unternehmens kennen. Im Laufe der Zeit begann er dieses Unternehmen zu leiten.

Im Jahre 1865 begann Kern gemeinsam mit seinem Schwager mit Bauarbeiten an seiner eigenen Fabrik. Die Quelle seines Vermögens sollte eine Drahtfabrik werden, die er in der Nähe des historischen Zentrums von Gleiwitz errichtete, in einem Gebiet, das Neudorf genannt war, wenige hundert Meter entfernt von der Drahtfabrik des Wilhelm Hegenscheidt. Offiziell wurde die Firma am 29. Dezember 1866 gegründet. Eine gerichtliche Bekanntgabe über die Gründung der Fabrik erschien im Januar 1867 auf den Seiten der örtlichen Zeitung „Der Oberschlesische Wanderer“. So begann die Geschichte der Eisendraht-Fabrik, Drahtnägel und Ketten H. Kern und Gesellschaft.

Heinrich Kern verließ Gleiwitz im Jahr 1886. Bevor er jedoch die Stadt verließ, machte er zwei Einzahlungen für soziale Zwecke: er spendete 3000 Mark für die Regulierung des Flussbetts der sogenannten Dzika Kłodnica und noch den gleichen Betrag für den Bau eines Pflegeheimes. Kern starb in Berlin, wo er seine letzten Jahre verbrachte. Die Nachricht von seinem Tod verbreitete sich in Gleiwitz schnell, in der lokalen Presse erschienen etliche Nachrufe. Außer seiner Familie, gedachten auch das Personal aus dem Unternehmen Heinrich Kern & Co und aus dem Eisenwerk Herminehütte, der Vorstand der jüdischen Gemeinde in Gleiwitz, die Behörden des hiesigen Magistrats mit dem Oberbürgermeister Alfred Kreidl an der Spitze und der Stadtrat, vertreten durch Dr. Simon Freund. Einer dieser Nachrufe beschrieb den Verstorbenen mit den Worten: „In seinem Leben trocknete er viele Tränen der Verzweiflung und noch mehr werden an seinem Grab fließen.“

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