Identität und Wurzeln
Wer bin ich und woher komme ich?
Jede/r von uns hat sich diese beiden Fragen mindestens einmal im Leben gestellt. Die Entdeckung der eigenen Identität und ihre Verortung in der Gesellschaft ist für viele ein komplexer und faszinierender Prozess. Auf der Suche nach Antworten lohnt es sich, die eigene Familiengeschichte zu verfolgen, haben doch die Schicksale unserer Vorfahren und ihre Geschichten einen großen Einfluss darauf, wie wir uns selbst wahrnehmen.
Soziale und persönliche Identität
Die Suche nach der Identität ist die schwierigste und zugleich wichtigste Aufgabe im Prozess der persönlichen Entwicklung eines Menschen. Identität lässt sich in soziale und persönliche Identität unterteilen. Bei ersterer geht es um das, was uns mit anderen Menschen verbindet, uns das Gefühl gibt, zu einer Gruppe zu gehören, Teil einer Gemeinschaft zu sein. Das kann die unmittelbare Familie sein, der Freundeskreis, eine religiöse, ethnische oder generationenübergreifende Gemeinschaft. Wir können uns auch mit Menschen mit ähnlichen Interessen oder demselben Wohnort identifizieren.
Bei der persönlichen Identität hingegen geht es darum, was uns von anderen unterscheidet, was uns das Gefühl gibt, etwas Besonderes und Einzigartiges zu sein.
Familiengeschichte als Schlüssel zur Akzeptanz
Durch die Erforschung unserer eigenen Familiengeschichte können wir beide Bedürfnisse befriedigen – das Gefühl, zu einer Gruppe zu gehören, und das Gefühl, etwas Besonderes zu sein. Wir werden uns nicht nur bewusst, dass wir Teil eines Ganzen sind, eines Generationen übergreifenden Stamms, sondern spüren auch unsere Einzigartigkeit, die Fortsetzung einer jeder für sich einzigartigen Familiensaga. Wir fügen unsere eigene Geschichte zu der unserer Vorgänger hinzu.
Wir haben von unseren Vorfahren nicht nur bestimmte, auf den ersten Blick sichtbare äußere Merkmale oder gesundheitliche Veranlagungen geerbt, sondern teilen mit ihnen oft ähnliche Interessen, Gewohnheiten und Neigungen, wiederholen bestimmte Verhaltensmuster. Vielleicht tragen wir auch ein Trauma aus dem Krieg oder einer schwierigen Lebenssituation mit uns herum.
Indem wir die Einzelheiten des Lebens unserer Familienmitglieder erfahren, fällt es uns leichter, für uns unverständliche Entscheidungen der Eltern oder Großeltern zu akzeptieren, eine nicht vorhandene oder beschädigte Bindung wiederherzustellen und vor allem inneren Frieden zu finden. Wenn ich Menschen bei ihren genealogischen Recherchen helfe, fallen im Gespräch oft Worte wie „Erleichterung“, „Verbindung“ und „Akzeptanz“. Ich höre auch oft die Aussage: „Jetzt weiß ich, wer ich bin“. Es lässt sich also nicht leugnen, dass das Wissen um die Geschichte der eigenen Vorfahren eine wichtige Rolle dabei spielt, sich selbst zu verstehen.
Genealogische Überraschungen
Bevor wir uns jedoch auf die Suche nach Informationen über unsere Vorfahren machen, sollten wir uns rechtzeitig auf verschiedene Szenarien vorbereiten. Es kann passieren, dass wir neben der Bestätigung von Geschichten, die von Generation zu Generation weitergegeben wurden, erstaunliche Geschichten entdecken, die niemandem in der Familie vorher bekannt waren und die wir gerne mit der ganzen Welt teilen würden. Es kann aber auch sein, dass wir auf Informationen stoßen, die bewirken, dass wir den festen Boden unter unseren Füßen verlieren.
Bei der genealogischen Recherche können wir den Verlauf eines ruhigen Familienlebens verfolgen, die Geschichte einer großen Liebe entdecken, Legenden über verlorene Familienvermögen bestätigen oder sorgfältig verborgene „peinliche“ Geheimnisse und unrühmliche Ereignisse aus der Vergangenheit ausgraben. Alles ist möglich.
Auf den Spuren der Vergangenheit
Manchmal haben wir nicht mehr die Möglichkeit, mit den ältesten Familienmitgliedern offen zu sprechen und ihnen wesentliche Fragen zu stellen. Glücklicherweise können wir dank der immer leichteren Zugänglichkeit von Dokumenten eine Menge selbst entdecken.
In vielen Fällen sind wir in der Lage, die Namen, Berufe und Adressen unserer Vorfahren herauszufinden. Wir sind in der Lage, ihre Schicksale im Krieg, ihr Leben im Exil oder ihre Wohnortwechsel nachzuvollziehen, und das alles, ohne das Haus zu verlassen. Wir können zum Beispiel herausfinden, welche Noten unsere Vorfahren in der Schule oder an der Universität hatten, was sie beruflich gemacht haben und wenn wir Glück haben, finden wir ein Foto von ihnen oder einen Artikel in einer alten Zeitung, in dem sie erwähnt werden.
Die Quellen und Möglichkeiten sind endlos, und es genügt, mit einem Gespräch zu beginnen – mit Eltern, Großeltern, Geschwistern oder anderen Verwandten. Oder mit dem Austausch von Informationen und in der Kindheit gehörten Geschichten, die sicherlich einen Einfluss darauf haben, wer wir sind und was wir an die nächste Generation weitergeben werden. Einfluss also auf das haben, was wir selbst zur Familiengeschichte hinzufügen.