Die Suche nach den eigenen Vorfahren ist gar nicht so schwierig, wie es auf den ersten Blick scheinen mag. Mit einem Arbeits- und Handlungsplan sowie einem definierten Ziel können wir rasch erstaunliche Geschichten aufdecken und Antworten auf unsere Fragen erhalten. Außerdem ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass wir Lust auf mehr bekommen und uns bald mit Nebenlinien, Familien von Freunden, Bekannten und so weiter beschäftigen. Aber wie sollen wir überhaupt anfangen? Das erzähle ich gleich.
Fang bei dir selbst an
Bei dir selbst – also der Person, die du am besten kennst, und die weiß, was sie sucht. Zumindest theoretisch. Für den Anfang sind ein Blatt Papier und etwas zum Schreiben sehr nützlich. Man kann beispielsweise ein Notizbuch oder einen Ordner speziell für seine Ahnenforschungen einrichten, in dem man alle Notizen und Dokumente sammelt.
Wir können alles grafisch aufzeichnen. Fangen wir also bei uns selbst an und stoßen Schritt für Schritt zu der Generation vor, bei der die Spur endet. Berücksichtigen wir dabei auch Vettern und Cousinen, Tanten, Onkel, zweite Ehepartner und alle, die uns in den Sinn kommen – jede Information kann in einem bestimmten Stadium der Recherche eine Schlüsselrolle spielen.
Die wichtigsten Informationen sind:
- Vor- und Nachnamen,
- Geburtsdaten und -orte (auch Datumsangaben zu Hochzeiten oder Sterbedaten, sofern bekannt).
Bei jeder einzelnen Person kann man auch Zusatzinformationen dazuschreiben, wie etwa:
- Ausbildung und Beruf,
- Kriegsschicksal,
- Familienlegenden,
- Informationen über eine Auswanderung,
- im Fall eines Interesses an Psychogenealogie – Beziehungen zwischen den Familienmitgliedern oder sich generationsübergreifend wiederholende Ereignisse und Vorgänge.
Familienbefragung
Im nächsten Schritt sollten wir mit unseren Familienmitgliedern sprechen, vor allem den ältesten unter ihnen, aber auch mit Eltern, Onkeln, Tanten, Vettern und Cousinen – vielleicht hat schon einmal jemand damit begonnen, einen Stammbaum anzulegen, und kann uns seine Ergebnisse mitteilen. Manchmal kann ein einziges Gespräch die Antwort auf eine Frage geben, die einen schon seit Jahren beschäftigt. Im Falle kleinerer Städte und Dörfer lohnt es sich auch, ältere Einwohner zu befragen, die sich vielleicht noch an unsere Vorfahren erinnern.
Bei solchen Gesprächen bietet es sich an, mit allgemeinen Fragen zu beginnen und dann zu spezifischeren, die Vorstellungskraft anregenden überzugehen, wie etwa:
- Wie sah euer Haus aus?
- Wie hieß dein/e beste/r Freund/in?
- Womit beschäftigten sich deine Eltern?
- Wohin seid ihr / ist man in Urlaub gefahren?
- Wer waren eure Nachbarn?
- Wer ist auf dem Foto zu sehen?
Man kann auch nach Familienfotos und -dokumenten fragen. Wichtig ist, dass man alles notiert und registriert, Fotos macht oder – mit Einwilligung unserer GesprächspartnerInnen – auch Gespräche in Bild und/oder Ton aufzeichnet.
Konfession und Gemeinde
In vielen Fällen reicht es nicht aus, nur den Namen des Heimatortes zu kennen. Wahrscheinlich muss zu Beginn auch die Konfession und die Pfarrgemeinde ermittelt werden, der die Familie angehörte. In größeren Städten gab es in der Regel mehrere Gemeinden, in kleineren Orten in der Regel eine Gemeinde. Bei Dörfern ist zu klären, welcher Pfarrkirche bzw. jüdischen Gemeinde die Vorfahren angehörten. Dazu leisten vier Suchmaschinen nützliche Dienste:
- Geografisches Wörterbuch des Königreichs Polen und anderer slawischer Länder,
- Datenbank der Orte in den ehemaligen Ostgebieten,
- Datenbank „Kartenmeister“ mit Informationen über Ortschaften, die heute zu Polen gehören und früher Teil Deutschlands waren,
- Google – die Suche nach einer Phrase in Anführungszeichen kann Wunder wirken.
Recherche ohne Verlassen des Hauses
Bevor wir beschließen, ein Staatsarchiv am anderen Ende des Landes aufzusuchen, sollte man sich vergewissern, ob nicht einige der Informationen und Scans von Dokumenten bereits im Internet vorhanden sind. Zu diesem Zweck lohnt es sich, in Suchmaschinen nach Indizes von Geburts- oder Sterbeurkunden, Tauf- oder Trauscheinen zu suchen. Diese Suchmaschinen sind das Ergebnis der Arbeit von Freiwilligen, die Verzeichnisse von Kirchengemeinden oder Standesämtern sichten und die wichtigsten Informationen in die Datenbanken eingeben, wie etwa Namen, Datumsangaben, Orte, Informationen über die Eltern. So ist es in manchen Fällen möglich, innerhalb weniger Stunden einen durchaus umfangreichen Stammbaum zu erstellen.
Die wichtigste und universelle Suchmaschine ist Geneteka, die landesweite Verzeichnisse enthält.
Es ist auch sinnvoll, lokale Datenbanken zu konsultieren, die möglicherweise mehr Daten enthalten:
- Poznań Project – Verzeichnis von Eheschließungen aus den Jahren 1800–1899 auf den historischen Gebieten Großpolens,
- Lubgens – Verzeichnisse aus der Woiwodschaft Lublin und Teilen der Ukraine,
- Pomorskie Towarzystwo Genealogiczne – Verzeichnisse aus der Woiwodschaft Pommern,
- Basia – Verzeichnisse aus der Woiwodschaft Großpolen,
- Projekt Podlasie – Verzeichnisses aus der Region Podlachien,
- Metryki Wołyń – Verzeichnisse aus Wolhynien,
- JRI-Poland – Verzeichnisse jüdischer Urkunden auf dem Gebiet des heutigen Polen und Gebieten, die vor dem Zweiten Weltkrieg zu Polen gehörten.
Standesämter
Es kann sein, dass wir in den Suchmaschinen keinerlei Informationen über unsere Vorfahren finden. Dafür kann es verschiedene Gründe geben – zum Beispiel ist die betreffende Gemeinde noch nicht vollständig indexiert oder der gesuchte Vorfahre oder die Vorfahrin wurde vor mehr als hundert Jahren geboren. In letzterem Fall wird der Geburtseintrag beim Standesamt aufbewahrt und ist nur einem kleinen Personenkreis zugänglich (in genealogischer Hinsicht vor allem der betroffenen Person, ihrem Ehepartner, ihren Nachkommen, aufsteigenden Verwandten und Geschwistern).
Wenn wir in einer solchen Situation den Geburtsort und das Geburtsdatum der betreffenden Person kennen (bei Eheschließungen und Todesfällen gilt die Achtzig-Jahres-Regel, es sei denn, alle Aufzeichnungen befinden sich in einem Register), können wir beim Standesamt eine vollständige Kopie der Eintragungen beantragen. Dies kann online über die ePUAP-Plattform erfolgen (hier eine kurze Anleitung) oder persönlich in jedem Standesamt in Polen und per Post.
Staatsarchive und Online-Dokumentenscans
Nach Ablauf von hundert Jahren für Geburtsurkunden und achtzig für Heirats- und Sterbeurkunden werden die Dokumente prinzipiell an das zuständige Staatsarchiv übergeben. Doch bevor wir einen Besuch im Archiv in Erwägung ziehen, sollten wir die Websites kennen, auf denen ein Teil der Scans solcher Dokumente zu finden ist.
Die beiden wichtigsten Websites, auf denen wir Scans von Geburts-, Heirats- und Sterbeurkunden sowie von anderen wertvollen Unterlagen finden können, sind Search in Archives und Metryki Genbaza.
Es lohnt sich, auch die Websites konkreter Regionen zu prüfen:
- AGAD – Archiwum Główne Akt Dawnych (Hauptarchiv für alte Daten),
- Genealogia w Archiwach – Scans aus der Woiwodschaft Kujawien-Pommern,
- Silius Radicum – Teil der Scans aus dem Staatsarchiv Katowice,
- ePaveldas – Scans von Urkunden aus Gebieten im heutigen Litauen,
- Websites einzelner Staatsarchive (beispielsweise Staatsarchiv Breslau oder Staatsarchiv Przemyśl).
Zu erwähnen ist auch der Webdienst Family Search der Mormonen. Auf der Seite finden wir nicht nur eine sehr umfangreiche Sammlung von Scans von Urkunden und Dokumenten aus aller Welt (online verfügbar nach Einrichtung eines Kontos im sogenannten Zentrum für Familiengeschichte), aber auch sehr viele Emigrationsdokumente, Passagierlisten, Einwohnerverzeichnisse, vorwiegend aus den USA.
Es gibt zwei kostenpflichtige Portale, die neben dem Zugang zu vielen interessanten Dokumenten auch DNA-Tests anbieten:
- Ancestry
- MyHeritage
Firmen, die DNA-Tests anbieten gibt es noch mehr, aber die beiden genannten verfügen derzeit über die größten Nutzerdatenbanken.
Zu bedenken ist auch, dass je nach dem Teilungsgebiet, aus dem unsere Vorfahren stammen, und dem uns interessierenden Zeitraum, die Verzeichnisse in verschiedenen Sprachen erstellt sein können: auf Polnisch, Russisch, Deutsch, oder in Latein.
Archive
In vielen Fällen kann es sich jedoch als unumgänglich erweisen, ein Nationalarchiv aufzusuchen. Und das ist auch gut so, denn dies ist eine ganz besondere Erfahrung. Im Archiv kann man nicht nur selbst alte Akten und Verzeichnisse einsehen, sondern auch andere interessante Dokumentensammlungen anfordern, die aufgrund ihrer besonderen Beschaffenheit oder ihres Erhaltungszustands nicht im Internet zu finden sind und auch absehbar nicht sein werden. Dazu gehören alle Arten von Personenakten, Volkszählungen, Gerichtsakten und vieles mehr, je nach Ort, Zeitraum und Familie.
Außerdem sind die ArchivmitarbeiterInnen oft Menschen, die eine Begeisterung für ihre Arbeit haben, und gerne weiterhelfen, anleiten, Tipps geben, was sich sonst noch zu untersuchen lohnt.
Vor dem Besuch eines Archivs sollte man sich gut vorbereiten und herausfinden, welche Dokumente am jeweiligen Ort zu finden sind. Es kann durchaus vorkommen, dass sich etwa Jahrbücher desselben Ortes in zwei verschiedenen Abteilungen des Staatsarchivs befinden oder einige von ihnen nur im Diözese- oder Pfarrarchiv vorhanden sind.
Andere Quellen
Informationen über unsere Ahnen können wir auch in anderen Quellen als Geburts-, Heirats- und Sterberegistern suchen. Erhaltene Dokumente aus dem Zweiten Weltkrieg, Zeitungen aus der Vorkriegszeit, Schüler- und Studentenakten, Militärunterlagen und andere Aufzeichnungen, die mit dem Leben unserer Vorfahren zu tun haben, können Informationen liefern, von denen niemand in der Familie wusste oder die niemand weitergeben konnte. Hier eine Handvoll nützlicher Websites mit derartigem Material:
- Polona – Dienst der Nationalbibliothek,
- Federacja Bibliotek Cyfrowych (Verband der Digitalbibliotheken),
- Genealogy Indexer – Adress- und Handelsbücher,
- International Tracing Service – Internationaler Suchdienst,
- Indeks Represjonowanych – Suchmaschine für Opfer der sowjetischen Repressionen,
- Straty – Suchmaschine für Opfer der NS-Repressionen,
- Inventar des Instituts für Nationales Gedenken (Instytut Pamięci Narodowej, IPN),
- Historisches Büro der Armee (Wojskowe Biuro Historyczne),
- Grobonet – Suchmaschine für das Auffinden von Gräbern.